05. März 2024. Der Nutzen der geplanten Bahnverbindung für den Personenverkehr zwischen Münster und Sendenhorst ist größer als die Kosten. Dies ist das Ergebnis einer neuen „Standardisierten Bewertung“, mit der ÖPNV-Investitionen in Deutschland geprüft werden. Dabei wurden erstmals auch die aktuellen Projektkosten berücksichtigt. Das Projekt nimmt damit eine weitere wichtige Hürde: Ein positives Ergebnis ist Voraussetzung für eine finanzielle Förderung durch den Bund. Das für eine Planung und Vergabe der Bauarbeiten nötige Planfeststellungsverfahren dauert unterdessen noch an.
„Das Projekt macht den Nahverkehr um Münster nicht nur bedeutend umweltfreundlicher und attraktiver“, sagt Nils Winter, Gesamtprojektleiter beim NWL. „Die Standardisierte Bewertung zeigt vor allem auch, dass der Investitionssumme ein konkreter wirtschaftlicher Mehrwert für die Region gegenübersteht.“ Die Standardisierte Bewertung ist für Verkehrsinfrastruktur-Projekte ab einer bestimmten Größe vorgeschrieben. Das Ergebnis ist ein Nutzen-Kosten-Indikator, der anzeigt, ob das Projekt volkswirtschaftlich überhaupt von Vorteil ist. Dazu wird der gesamtwirtschaftliche Nutzen zu den Kosten in ein Verhältnis gestellt. Nur wenn der Nutzen größer ist als die Kosten, also bei einem Wert größer als 1, kann das Projekt Fördergelder nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) vom Bund erhalten. Mit einem Wert von 1,36 liegt das Ergebnis für die Strecke Münster-Sendenhorst deutlich im positiven Bereich.
Bereits die erste Standardisierte Bewertung 2018 war positiv ausgefallen. Dieser lag in der frühen Projektphase zunächst eine erste Kostenschätzung von 37 Mio. Euro zugrunde. Inzwischen ist das Projekt so weit vorangeschritten, dass konkrete und aktuelle Kostenberechnungen möglich sind. Demnach wird die Reaktivierung der Strecke für den Personenverkehr rund 133 Mio. Euro kosten. Die Kosten sind zum einen der Komplexität des Projekts geschuldet: So müssen u.a. mehrere Bahnübergänge geplant und eine Vielzahl von Rechts- und Eigentumsfragen entlang der Strecke geklärt werden. Zum anderen sind die Baukosten in den letzten fünf Jahren massiv gestiegen, und zwar ganz besonders für Schienen-Bauprojekte. Dort kommen zu den allgemeinen Kostensteigerungen für Bauleistungen und Material wie z.B. Schwellen, Beton und Schotter von teilweise weit über 100 Prozent noch Unterkapazitäten im Markt hinzu: Weil derzeit deutschlandweit zahlreiche Schienen-Infrastrukturprojekte geplant und umgesetzt werden, etwa der Ausbau der Hochleistungskorridore, sind die Kapazitäten spezialisierter Baufirmen knapp und teuer.
Trotz dieser Kostensteigerungen überwiegen die positiven Effekte des Projekts. Die Untersuchung wurde nach den aktualisierten Bewertungsparametern des Bundes durchgeführt, der sog. „Standardisierten Bewertung 2016+“. Diese bezieht neben den betriebswirtschaftlichen Faktoren wie Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten insbesondere auch die volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und umweltbezogenen Auswirkungen mit ein. Vor allem die Umwelt-Auswirkungen des Projekts sind deutlich positiv: Durch die Strecke werden jährlich rund 8,7 Mio. Pkw-Kilometer vermieden und dadurch die CO2-, Schadstoff- und Geräuschemissionen massiv verringert. Der Einsatz von batterieelektrischen Zügen erhöht diesen Effekt zusätzlich. Auch verkürzte Reisezeiten und das Fahrgastaufkommen sind in die Bewertung mit eingeflossen.
Auf der Strecke werden künftig pro Werktag über 10.000 Fahrgäste befördert. Deren Reisezeit zwischen Münster Hauptbahnhof und Sendenhorst verkürzt sich auf 30 Minuten, zwischen Wolbeck und Münster auf rund 16 Minuten. Weil dadurch der ländliche Raum an ein Oberzentrum angebunden wird, fällt dieser Aspekt besonders ins Gewicht.
Ein positives Ergebnis ist entscheidend dafür, dass in der nächsten Phase des Projekts, bei der u.a. die Aufträge für die Bauarbeiten vergeben werden, die nötigen Projektmittel des Bundes sowie des Landes Nordrhein-Westfalen freigegeben werden können. Diese Phase schließt sich an das Planfeststellungsverfahren an, das derzeit noch andauert. Aktuell ist mit einem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens allerdings erst gegen Ende 2024 zu rechnen. Hintergrund ist, dass derzeit noch die Aufgaben aus dem Erörterungstermin im September 2023 durch die Antragstellerin, die Westfälische Landes-Eisenbahn GmbH, abgearbeitet werden. Dazu gehört u.a. eine Nachkartierung der Flora, Fauna und Habitate entlang der Strecke, die Überarbeitung der Umweltplanung sowie die Überarbeitung des Schallschutzgutachtens. „Dass das Planfeststellungsverfahren inzwischen deutlich länger dauert als geplant, ist natürlich bedauerlich“, sagt Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL. „Eine umfassende Prüfung all dieser Punkte ist aber wichtig und notwendig für eine rechtssichere Planung und Umsetzung.“ Die WLE als Infrastrukturbetreiber hat den NWL darüber informiert, dass bei einem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens Ende 2024 die Strecke in der ersten Jahreshälfte 2027 in Betrieb gehen kann.
Mit der Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Strecke Münster Hauptbahnhof-Sendenhorst entsteht dort künftig ein staufreies und umweltfreundliches Nahverkehrsangebot. Ziel ist es, die Anbindung an den Hauptbahnhof Münster zu verbessern, die Straßen zu entlasten und CO2-Emissionen einzusparen. Die Wiederaufnahme ist integraler Bestandteil der landesweiten Betriebskonzepte „Zielnetz 2032“ und „Zielnetz 2040“, mit denen das Schienennetz in NRW ausgebaut und modernisiert werden soll. Zudem wird die Strecke eine Linie der zukünftigen „S-Bahn Münsterland“ sein.